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Saison gerettet

Der VfB Stuttgart gewinnt gegen Belgiens Meister FC Brügge mit 1:0 und steht im Achtelfinale des Uefa-Cups

STUTTGART taz ■ Trond Sollied hielt mit seiner überraschend guten Laune nicht hinterm Berg. „Wir sind auf einem guten Wege“, meinte der norwegische Coach des belgischen Fußball-Meisters, und selbst dass der FC Brügge, seine Mannschaft, da gerade aus dem Uefa-Cup ausgeschieden war, tat seiner Stimmung keinen Abbruch. Warum auch? „Früher oder später“, fand Sollied, „muss man sowieso ausscheiden.“ Das ist nicht nur eine äußerst eigene Sicht der Dinge, sie ist auch noch nachweislich falsch. Man kann nämlich auch einfach weiterkommen und dadurch von Runde zu Runde viel Geld aus Fernsehtöpfen und Zuschauereinnahmen mitnehmen.

So wie es der VfB Stuttgart vorexerziert. Angesichts von über 16 Millionen Euro Schulden hat das Vordringen unter die besten 16 dieses Wettbewerbs fast schon existenziellen Charakter für den schwäbischen Traditionsverein. Rolf Rüßmann, der zuletzt in die Kritik geratene Manager des VfB, stellte denn auch prompt fest: „Das Überwintern in Europa rettet uns die Saison.“ Kaum auszudenken, angesichts der leeren Kassen, was im Umfeld des Roten Hauses los gewesen wäre, wäre das Ding gegen Brügge in die Hose gegangen. Für Rüßmann jedenfalls hätte die Betriebstemperatur sibirische Kältegrade angenommen, schon zuletzt wurden dem Manager der umstrittene 7,5 Millionen Euro teure Meira-Kauf, ein angeblich zerrüttetes Verhältnis zum Hauptsponsor und der eigenen Marketingabteilung sowie der vermeintliche Versuch, Plötzlich-Star Kuranyi zu verhökern, mächtig um die Ohren gehauen. Doch statt zu einer Inquisitionsrunde mit der lauernden Reporterschar entwickelte sich das Frage-und-Antwort-Spiel nach dem Brügge-Spiel zu einem Kaffeekränzchen für den ehemaligen Nationalspieler, der ganz entspannt folgende Rechnung aufmachte: Rund 2 Millionen Euro an Zusatzeinnahmen winken im Achtelfinale. Zählt man die bisher im UI-und Uefa-Cup erwirtschafteten 1,5 Millionen dazu und addiert zudem den Erlös des Adhemar-Transfers, sieht Rüßmann das 5,5-Millionen-Loch geflickt, das durch die Kirch-Krise entstanden ist. Rüßmann ließ sich gar dazu erweichen, erstmals und einmalig eine Prämie an die Spieler auszuschütten, immerhin rund 7.000 Euro. Die finanzielle Situation erlaubt trotzdem keine großen Sprünge, und so wird Rüßmann bei den Vertragsverhandlungen – acht Kontrakte laufen aus – weiter als ein Küchenmeister namens Schmalhans auftreten.

Es gab also viel zu verlieren für den VfB an diesem kalten Novemberabend vor 34.000 Zuschauern. So spielten die „jungen Wilden“ denn auch. Was Felix Magath, ihrem Trainer, nicht verborgen blieb. „Das war eines unserer schwächsten Spiele“, bilanzierte er ohne Umschweife. Und fügte flugs hinzu: „Die Versagensangst hat meine junge Mannschaft gelähmt.“ Hlebs Siegtreffer in der allerletzten Sekunde war entsprechend eine große Erlösung für alle und die Krönung einer starken Vorrunde. Platz 5 in der Liga (bei noch einem ausstehenden Spiel morgen in Wolfsburg) und die Möglichkeit, sich in die Tradition deutscher Europapokalsieger einreihen zu können, sprechen für diese Mannschaft und ihren Trainer. Wenn zudem ganz nebenbei ein bisschen die Finanzen saniert werden können – umso besser. TOBIAS SCHÄCHTER

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